Bonn/Essen. Die Streiks an den NRW-Unikliniken gehen weiter. Die Bonner Klinik wollte künftige Streikaufrufe unterbinden lassen – und scheiterte vor Gericht.
Streikaufrufe der Gewerkschaft Verdi am Uniklinikum Bonn sind weiterhin zulässig. Das Arbeitsgericht Bonn wies einen Eilantrag des Krankenhauses auf Unterlassung zurück, wie eine Gerichtssprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage am Dienstag mitteilte. Mit den Streiks macht die Gewerkschaft Druck auf die Verhandlungen über einen Tarifvertrag zur Entlastung der Beschäftigten.
In dem Eilrechtsschutzverfahren wollte die Uniklinik erreichen, dass Verdi bis zum 17. Juni nicht mehr zum Streik der Klinikbeschäftigten aufrufen darf. Aus Sicht des Klinikvorstandes verstößt der seit Wochen anhaltende Arbeitskampf unter anderem gegen die Friedenspflicht und ist rechtswidrig. Es sei aus medizinischer Sicht und im Interesse der Patienten nicht mehr vertretbar, die Streiks weiter hinzunehmen, begründete die Klinikleitung den juristischen Vorstoß.
Gericht: Forderungen der Streikenden „hinreichend begründet“
Dieser Ansicht mochte das Arbeitsgericht nicht folgen. Die Forderungen der Streikenden seien „hinreichend begründet“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende Richterin. Auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten durch die Notdienstvereinbarungen mit den Kliniken sei abgesichert. Ein Verstoß gegen die „relative Friedenspflicht“ seitens der Gewerkschaft und der Streikenden liege nicht vor.
Verdi sieht seine Position nun gestärkt: „Der Klinikvorstand sollte die Entscheidung zum Anlass nehmen, den Konfrontationskurs gegen die eigenen Beschäftigten zu beenden und am Verhandlungstisch für gute Tarifregelungen zur Entlastung des Personals sorgen“, sagte Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt am Dienstag. Die Beschäftigten hätten „keinerlei Verständnis für juristische Winkelzüge und Einschüchterungsversuche“. Das Grundrecht auf Streik gelte auch in Krankenhäusern.
Versorgung der Patienten gefährdet? Meinungen gehen auseinander
Die Gewerkschaft argumentiert, die Notfallversorgung der Patienten sei durch die entsprechenden Notdienstverordnungen nicht gefährdet. „Täglich sorgen die Streikleitungen vor Ort dafür, dass alle Notfälle behandelt werden. So streiken wir weiter – spürbar und verantwortungsvoll. Bis zu einer akzeptablen Einigung“, sagte Schmidt.
Die Direktoren der Kliniken für Unfallchirurgie sehen die Notfallversorgung dagegen inzwischen stark beeinträchtigt, wie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) am Dienstag mitteilte. „Dauern die Streiks an, droht der Kollaps der bestreikten Regionen in NRW.“ Inzwischen seien pro Uniklinik mehr als 300 Eingriffe bei Patientinnen und Patienten aus der Unfallchirurgie abgelehnt oder in andere Einrichtungen transferiert oder auf die Zeit nach dem Streik verschoben worden. Die DGU forderte eine rasche einvernehmliche Rücknahme der drastischen Streikmaßnahmen während der laufenden Verhandlungen.
Pflegekräfte streiken seit Monaten
Verdi fordert von sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen seit Monaten bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte sowie weitere Beschäftigte und will einen Tarifvertrag Entlastung, nicht nur für die direkt in der Pflege Beschäftigten, sondern auch für weitere Kräfte beispielsweise in den Küchen oder den Fahrdiensten aushandeln. Die Streiks sind mittlerweile in der siebten Woche.
Erneut bot die Gewerkschaft an, den Arbeitskampf durch eine konstruktive Verhandlungslösung schnellstmöglich zu beenden. „Die Tarifkommission ist bereit, bis zur Einigung durch zu verhandeln. Darauf sollten sich endlich auch die Klinikvorstände konzentrieren“, betonte Schmidt.
Parallel zur Arbeitsgerichtsentscheidung gingen die Proteste unvermindert weiter. Vor der Uniklinik Bonn versammelten sich laut Verdi rund tausend Demonstranten von den sechs NRW-Häusern auf dem Venusberg und machten ihrem Ärger Luft. Anschließend zogen die Beschäftigten in einem Demozug durch die Stadt bis zur Abschlusskundgebung auf dem Münsterplatz. (dpa)
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