Musik-Label Empire

Snoop Dogg beflügelte Karriere-Träume von 16-Jährigem

| Lesedauer: 8 Minuten
Nima Etminan wuchs in Hamburg auf - in den USA machte er Karriere mit dem Musik-Label Empire.

Nima Etminan wuchs in Hamburg auf - in den USA machte er Karriere mit dem Musik-Label Empire.

Foto: Jessica Chou

San Francisco/Hamburg.  Als Jugendlicher verehrte der Hamburger Nima Etminan Rapper wie Snoop Dogg. Mit dem Musik-Label Empire formt er heute die Musik-Stars von Morgen.

Gerade einmal 15 Jahre alt war Nima Etminan, als er für sich feststellte, dass er „hier“ nicht hergehörte. Das „Hier“ war zu dem Zeitpunkt Hamburg im Jahr 2002 – und eigentlich war das „Hier“ ein großes Glück: Als Sohn iranischer Eltern kam Etminan 1987 in Teheran zur Welt und wurde mitten hineingeboren in die Zeit des Ersten Golfkrieg. Für seine Eltern war das keine Umgebung, um ein Kind großzuziehen. Sie flohen nach Hamburg, um sich ein neues Leben aufzubauen.

Da die Qualifikation von Etminans Vater als Architekt in Deutschland nichts wert war, führte er Bauarbeiten in Restaurants durch, bis er irgendwann selbst welche eröffnete. Seine Mutter gab erst Französisch-Unterricht und später Integrationskurse für Geflüchtete. So boten die Eltern ein sicheres und behütetes Zuhause und Nima konnte eine internationale, französische Schule besuchen.

Nima Etminan steckte jede freie Minute in seine Leidenschaft Westcoast-Rap

„Trotzdem fühlte ich, dass ich hier nicht reinpasse“, so Etminan. Nicht nur wegen seines Aussehens mit seiner auffälligen Afro-Frisur und den dicken Baggy-Klamotten, sondern weil er kein typisches Teenager-Leben in Hamburg führte. Aus dem Kinderzimmer heraus führte Etminan Interviews mit US-Künstlern, im Internet recherchierte er die HipHop-Kultur und startete schließlich mit zwei Freunden seine eigene Musik-Website „DubCNN“.

Seine große Leidenschaft wurde der Westcoast-Rap: War „Losing My Religion“ von REM als Kind noch seine erste Musik-Kassette, so hatte ihn jetzt der melodische, mit vielen Samples gespickte Rap samt seinem „coolen und lässigen Stil“ gepackt: Jede freie Minute – und auch viele „nicht freie Minuten“ – investierte er fortan in sein Projekt: „Geld hat mich nicht interessiert. Mein Traum war es, mit den Leuten zu reden, deren Musik mich begeistert hat“. Der Einsatz lohnte sich: Schon bald war „DubCNN“ die erste Anlaufstelle für US-Rap-Fans, wenn es um Westcoast-Rap ging – mit bis zu 30.000 Klicks am Tag vor über 20 Jahren eine beachtliche Resonanz.

Mit 16 Jahren auf der Couch von Gangsta-Rapper geschlafen

Die durch die Zeitverschiebung oft nächtlichen Telefon-Interviews mit seinen Stars reichten Etminan schon bald nicht mehr – er wollte seinen Lieblingen persönlich begegnen. Mit 16 Jahren kaufte er sich ein Flug-Ticket nach Los Angeles. Bei Bad Azz, einem Gangsta-Rapper aus Long Beach, den er über seine Website kennengelernt hatte, schlief er einen Monat auf der Couch. „Das war schon verrückt, dass meine Mutter das damals zugelassen hatte“, erinnert sich Etminan. „Ich hatte eine starke Erziehung und dadurch früh ein großes Verantwortungsbewusstsein und Moral-Empfinden. Klar war bei so einer Reise viel kindliche Naivität dabei, aber meine Eltern konnten sich auf mich verlassen“.

In Los Angeles lief es blendend für Etminan: „In Deutschland kannte mich keiner. Aber in den USA kannte mich die ganze Westcoast durch meine Plattform – und die Community hat mich mit offenen Armen aufgenommen und auf mich aufgepasst, weil ich mit meiner Website wertvoll für sie war.“ Mit diesen Eindrücken kehrte er nach Deutschland zurück. Für ihn stand nun fest, dass seine Zukunft in den USA liegen würde. Am liebsten sofort… - doch seine Mutter bestand darauf, dass er erst sein Abitur machte sowie ein Studium (Bachelor und anschließend Master in Media Management) absolvierte.

Hatte er als Kind noch eine Klasse übersprungen, so beanspruchte ihn sein nächtlicher „DubCNN“-Job so sehr, dass er das Abi gerade so mit einem Noten-Durchschnitt von 3,8 bestand. „Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt und alles andere ausgeblendet – ob das meine Hobbys waren wie Klavier, Schlagzeug, Tennis, Bücher lesen oder auch die Schule war. Das ist allerdings auch einer der Gründe, warum ich so weit gekommen bin“, so Etminan.

Nima Etminan traf Snoop Dogg bei Konzert in Köln

Im Februar 2005 kam es dann zu einer wegweisenden Begegnung in Köln. Dort wollte Nima seinen Lieblings-Star Snoop Dogg erstmals bei einem Konzert live sehen. Darüber hinaus hatte er sich mit dessem DJ Jam und Hypeman Soopafly für ein Interview verabredet. Doch es kam ganz anders: Die Security erwischte Etminan, wie er das Konzert von Snoop Dogg filmte. „Wenn man heute sieht, dass jeder beim Konzert mit seinem Handy filmt, ist das unvorstellbar: Aber das war damals noch verboten und die Security nahm mir die Kamera weg.“ Ein Gespräch mit dem Manager entschärfte dann die Situation und die geplanten Interviews waren gerettet.

Dann kam es zu dem Moment, der wohl entscheidenden Einfluss auf den Werdegang Etminans hatte. Im Backstage-Bereich tauchte auf einmal Snoop Dogg auf und Nima nahm all seinen Mut zusammen: „Hey, ich bin von DubCNN“, rief er. Der Name der Website war der Schlüssel: „Snoop Dogg drehte sich um und sagte, ich solle in zehn Minuten in seinen Umkleideraum kommen“, erinnert sich Nima. Nur zehn Minuten Zeit hatte er nun, um sich Fragen für das Interview auszudenken.

Praktikum in den USA statt bei Warner in Deutschland

Während des Interviews stellte sich heraus, dass Snoop Doggs Cousin Daz Dillinger den Rapper bereits auf die Website DubCNN aufmerksam gemacht hatte. „Snoop fand das cool, dass jemand ganz authentisch über die Westcoast-Szene schrieb“, so Etminan. Und Snoop war mehr als ein Interview-Partner – Etminan blieb mit dem Rapper fortan in Kontakt. Sie tauschten sich regelmäßig über die Entwicklung der Musik-Szene aus und trafen sich, wenn der Star in Deutschland war.

Zu der Zeit befand sich Etminan in der Endzeit seines Studiums und brauchte einen Praktikumsplatz. Den bekam er bei dem Musik-Label Warner und erzählte davon dem Rapper Daz Dillinger, zu dem er mittlerweile eine Freundschaft aufgebaut hatte. Der riet ihm aber vom Warner-Praktikum ab und brachte Etminan mit Ghazi Shami zusammen. Dieser war für den Digitalvertrieb Ingrooves in den USA tätig und nahm ihn unter seine Fittiche. Shami verriet, dass er eine eigene Company gründen wollte – das „Empire“.

Als Etminan sein Studium beendet hatte, stieg er dort mangels Arbeitserlaubnis erstmal für ein Jahr als Praktikant ein – kümmerte sich aber bereits selbstständig ums Marketing und Social Media Management. „Das waren zum Glück alles Aufgaben, die ich auch schon für meine Website gemacht hatte“. So bekam er schnell den Ruf des Marketing-Genies, da er intuitiv viele richtige Entscheidungen traf. Und alles zu einem Zeitpunkt, als sich die Musik-Industrie etwa durch neue Kanäle wie das Streaming revolutionierte: „Die Regeln wurden neu geschrieben, und wir haben sie ohne es zu realisieren mit Empire mitgeschrieben,“ so Etminan.

Lesen Sie im ausführlichen Exklusiv-Interview, welche Rolle Nima Etminan beim Aufstieg des Labels Empire spielte, was er über von ihm entdeckte und geförderte Super-Stars wie Kendrick Lamar, XXXTentacion und Anderson Paak denkt, wie TikTok das Musik-Business auf den Kopf stellt und welche Zukunfts-Pläne er mit dem international agierenden 200-Mitarbeiter-Unternehmen hat.

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