Bad Arolsen/Berlin. Acht Monate nach der Todesfahrt in Berlin beginnt 7. Februar der Prozess. Für eine Schulklasse aus Bad Arolsen endete der Tag in einem Drama.
Vor dem Landgericht Berlin beginnt am Dienstag (7. Januar) dassein soll. Bei dieser Todesfahrt wurden eine 51 Jahre alte Lehrerin der Bad Arolser Kaulbach-Schule getötet und zwölf ihrer Schülerinnen und Schüler teilweise schwer verletzt. Ein weiterer begleitender Lehrer musste über viele Wochen hinweg mehrfach operiert werden. Trauer und Bestürzung herrschte damlas auch im Hochsauerland. Bad Arolsen liegt keine 20 Kilometer von Marsberg entfernt.
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Die Schüler befanden sich auf einer Abschlussfahrt in Berlin..
Anklage: Mord aus Heimtücke und 16-facher Mordversuch
Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft dem Autofahrer unter anderem vollendeten Mord aus Heimtücke und 16-fachen Mordversuch vor. Schon im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft berichtet, dass die Ermittlungen Hinweise darauf ergeben hätten, dass der Tatverdächtige die Amokfahrt in einem Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen haben könnte. Sollte das vorläufige psychiatrische Gutachten vor Gericht Bestand haben, dann wäre statt einer Freiheitsstrafe eine lebenslange Unterbringung im Maßregelvollzug eines psychiatrischen Krankenhauses das Ergebnis des Strafprozesses.
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Zuständig ist die 22. Strafkammer des Landgerichts Berlin. Am heutigen ersten Verhandlungstag wird voraussichtlich nur die Anklageschrift verlesen. Zeugen sind für heute nicht geladen. Elf der Opfer treten als Nebenkläger in dem Prozess auf.
Verteidiger: Mandant am Tattag schuldunfähig
Für Verteidiger Mark Höfler steht außer Frage, dass sein Mandant am Tattag schuldunfähig war. Er sei schon als junger Mann erkrankt und finde keinen Zugang zu dem tragischen Geschehen an jenem Juni-Tag. „Ihm und seiner Familie ist es aber ein Anliegen, zu verdeutlichen, wie leid ihnen dieses schreckliche Ereignis tut“, betonte Höfler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
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Im Prozess gehe es auch darum, die Opfer möglichst zu schonen. „Es soll ihnen, soweit das geht, eine Aussage vor Gericht erspart werden“, sagte der Verteidiger. „Das wird voraussichtlich kein streitiges Verfahren“, betonte Höfler. Zu klären seien eher rechtliche Fragen – etwa, ob die Taten überhaupt als Mord zu bewerten seien, wie es die Staatsanwaltschaft getan habe.
Ungebremst mit Auto über den Gehweg
Binnen weniger Sekunden wird der Bereich zwischen Gedächtniskirche und Luxuskaufhaus KaDeWe am 8. Juni 2022 Schauplatz einer schrecklichen Szenerie: Ein silberner Kleinwagen rast auf den Gehweg mitten in arglose Passanten hinein. Mehrere Opfer geraten auf die Motorhaube und werden mitgerissen. Der Mann am Steuer fährt laut Ermittlungen ungebremst weiter auf einen Imbiss zu. Erst im Schaufenster einer Parfümerie kommt das Auto zum Stehen.
Fernseh- und Radioreporter wollten mit Opfern sprechen
Im Korbacher Kreishaus beantworteten Arolsens Bürgermeister Marko Lambion, Landrat Jürgen van der Horst und Dr. Axel Wölker als Leiter der Kaulbach-Schule am gestrigen Montag Fragen von Journalisten. Vor allem Fernseh- und Radioreporter hatten darauf gedrängt, im Vorfeld des Prozesses mit den Opfern sprechen zu können. Doch solche Anfragen wurden von Bürgermeister und Landrat strikt abgelehnt. Bei den Betroffenen der Amokfahrt handele es sich um eine Abschlussklasse.
Mittlerweile hätten die Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss gemacht und die Schule verlassen. Sie, ihre Eltern und die Schule seien aber durch eine Chatgruppe miteinander vernetzt. Nach den entsetzlichen Geschehnissen im Juni vergangenen Jahres hätten in der Schulgemeinde viele Gespräche, Austausche, psychologische Betreuung und gemeinsame Gedenk-Möglichkeiten stattgefunden, um die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.
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Diese säßen verständlicherweise tief, der Schulalltag konnte aber nach und nach wieder einkehren. Es bestehe weiterhin die Möglichkeit der psychologischen Unterstützung durch geschulte Fachkräfte.„Allein das Erinnern wühlt die Menschen auf“, stellte Landrat van der Horst gestern fest. Es sehe so aus, als wenn der Täter keine Verurteilung erfahren werde. „Das führt leider auch nicht zur Beantwortung der Frage nach dem Warum“, so van der Horst weiter. Dabei sei es für die Betroffenen so wichtig, dass es da Klarheit gebe. Ausdrücklich lobte der Landrat die vielfältigen Betreuungsangebote für die Opfer. An erster Stelle seien hier die Rettungskräfte in Berlin zu nennen, die vorbildlich geholfen hätten. Das hätten ihm die Schüler berichtet.
Bürgermeister Marko Lambion sprach von einer grausamen Tat, die den Menschen in Bad Arolsen in die gemeinsame Erinnerung übergegangen sei. Die damals eingerichtete Betreuungsstelle im Arolser Rathaus bestehe noch immer und vermittle Kontakte zur Opferschutzbeauftragten nach Wiesbaden, wann immer dies nötig sei.
Der Arolser Bürgermeister verbindet mit dem heutigen Prozessbeginn die Hoffnung, dass die Tat endlich sensibel für die Opfer aufgearbeitet werde. Bei dem Prozess sollten nach Möglichkeit auch die Bedürfnisse der unmittelbar Betroffenen und ihrer Angehörigen im Mittelpunkt stehen. (mit dpa)
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