Klartext-Kolumne

Was mache ich denn jetzt mit meiner Gasheizung, Herr Habeck?

| Lesedauer: 7 Minuten
Bis zu 100.000 Euro kostet die Sanierung eines alten Einfamilienhauses, rechnet WAZ-Vize-Chefredakteur Alexander Marinos in seiner Kolumne vor.

Bis zu 100.000 Euro kostet die Sanierung eines alten Einfamilienhauses, rechnet WAZ-Vize-Chefredakteur Alexander Marinos in seiner Kolumne vor.

Foto: Funke / FUNKE Foto Services

Essen.  Bei Immobilienbesitzern geht die Angst um: Immer ehrgeiziger werden die grünen Klima-Pläne, und immer teurer. Wie ernst ist die Lage wirklich?

Das Haus, in dem meine Familie und ich leben, ist 110 Jahre alt. Es hat zwei Weltkriege überstanden, da wird es ja wohl auch noch Robert Habeck überleben. Ob das allerdings auch für unsere Gasheizung gilt und für die Fenster aus den 80er Jahren auf der noch nicht sanierten Nordseite – die Frage muss man sich jetzt stellen. Eine Antwort konnte ich mir inzwischen selbst geben: Die Gastherme ist erst 17 Jahre alt. Wenn die nicht komplett den Geist aufgibt, dann darf ich sie auch dann noch 13 Jahre lang weiter betreiben, wenn der grüne Bundeswirtschafts- und -klimaminister seine ehrgeizigen Pläne realisieren kann, was noch nicht einmal klar ist. Die FDP hat etwas dagegen, Eigentümerverbände, Handwerker und Heizungsindustrie sowieso. Man muss jetzt also keine Panik schieben. Einerseits.

Andererseits wäre es falsch, so zu tun, als käme nichts auf einen zu. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Wohngebäude spielen dabei eine entscheidende Rolle. Der Druck kommt von verschiedenen Seiten, nicht nur von Teilen der Bundesregierung. Das EU-Parlament hat vor wenigen Tagen Gesetzes-Pläne beschlossen, die allein in Deutschland in den kommenden neun Jahren zu Zwangssanierungen von bis zu acht Millionen älteren Wohngebäuden führen würden, sofern, und das ist eine sehr wichtige Einschränkung, die nationalen Regierungen das so umsetzen.

Effizienzklasse Z

Die Idee klingt zunächst plausibel, und wer Klimaschutz ernst nehmen will, der sollte sie nicht leichtfertig vom Tisch wischen. Wir kennen die Energie-Effizienzklassen ja schon von unseren Kühlschränken, Waschmaschinen oder Leuchtmitteln – nun sollen Bestandswohnhäuser europaweit bis 2030 mindestens die EU-Effizienzklasse E erreichen, bis 2033 die Klasse D. Für unser Haus (Stand jetzt: Effizienzklasse irgendwo zwischen X, Y und Z) würde das bedeuten: neue Fenster, gedämmte Fassaden und eine Solaranlage aufs Dach.

Selbst wenn wir im günstigsten Fall unsere Gastherme bis 2036 weiterbetreiben dürften, müssten wir, bauten wir eine Wärmepumpe ein, zwingend auch das Haus sanieren. Damit es dann warm genug wird, bräuchten wir auch neue Heizkörper, am besten eine Fußbodenheizung. Rechnet man alles zusammen, ist ein Investitionsbedarf von bis zu 100.000 Euro nicht unrealistisch. 2036 bin ich hoffentlich ein fitter 64-Jähriger kurz vor der Rente, dessen Kinder in der Ausbildung stecken. Es wäre also kein Fehler, schon jetzt auf diesen Zeitpunkt hin zu sparen, zumal die Rentenlücke nicht kleiner werden dürfte.

„Der Nussbaum muss weg!“

Und dann gibt es ja auch noch ein paar technische Umstände zu berücksichtigen. Manche Häuser lassen sich gar nicht so sanieren, wie sich das die Habecks dieser Welt vorstellen. Beispielsweise wäre ich gar nicht abgeneigt, auch im Hinblick auf das Thema Elektromobilität, uns eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach setzen zu lassen. Im vergangenen Sommer war deswegen bereits ein Experte der Stadtwerke bei uns, um sich die Sache mal vor Ort anzuschauen. „Die Gauben auf der Südseite stören“, bilanzierte er trocken, „da ist zu wenig Dachfläche.“ Dann ging er ums Haus herum, und gerade, als die Sonne hinter einer Wolke verschwand, verfinsterte sich sein ohnehin wenig sympathischer Blick zusätzlich. „Wenn wir die Westseite nutzen wollen, muss der große Nussbaum weg. Der verschattet zu sehr.“

Mehr Klimaschutz mit weniger Bäumen? Ich dachte an unser Eichhörnchen, das uns morgens immer wieder mal besucht, an die 40-Grad-Sommer, die ohne ausreichend Grün in Wohngebieten kaum auszuhalten sind. Hatte dieser „Experte“ noch alle Tassen im Schrank?

Gefühlter Finanzierungs-Tsunami

Im Ergebnis ist es gefühlt ein Finanzierungs- und Fachfragen-Tsunami, der auf Eigentümer und Mieter von Immobilien zurollt. Denn auch Mieter sind nicht aus dem Schneider, wenn Investitionen nötig und dann umgelegt werden. Da ist die Inflation, die für dauerhaft hohe Preise sorgt. Strom und Gas werden nie wieder so günstig sein, wie sie es mal waren. Die Zinswende wird für jene Kreditnehmer zur Bedrohung, die demnächst einen neuen Darlehensvertrag abschließen müssen; manche werden sich die neuen Raten für Zins und Tilgung schlicht nicht leisten können. Und nun kommen die Klimapläne, wie oben beschrieben, noch drauf. Schon befürchtet „Haus & Grund“, der Wert älterer Häuser könne dramatisch sinken. Angst wabert durch Land.

Und Robert Habeck? Sonnt sich in weiter guten Umfragewerten? Nicht ganz. Es solle ein milliardenschweres Förderprogramm aufgelegt werden, hat er jetzt vollmundig in Aussicht gestellt – vermutlich wieder einmal ohne Abstimmung mit dem Bundesfinanzminister. Die Förderung solle sich am Einkommen der Haushalte orientieren. Was ist davon zu halten?

Deutschland geht das Geld aus

Erstens: Abgesehen von Fragen der Umsetzbarkeit ist es mir unerklärlich, warum Einkommen eine Rolle spielen sollen bei der Förderung, Vermögen aber nicht. Diese Ungerechtigkeit und im Ergebnis auch Leistungsfeindlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Sozial- und Finanzpolitik. Zweitens, und das wirkt schwerer: Deutschland geht das Geld aus. Deutschland geht das Geld aus, weil die Corona-Krise und die Wirtschaftsfolgen des russischen Angriffskrieges den öffentlichen Kassen schon ordentlich zugesetzt haben und sich immer mehr Löcher auftun.

Die Schulen sind unterfinanziert, die Bundeswehr ist unterfinanziert, Schienen, Brücken, die ganze Infrastruktur nähert sich dem Schrott-Status. Statt in Zeiten üppiger Staatseinnahmen ordentlich zu investieren, wurde Geld in soziale Projekte gesteckt, die Jahr für Jahr Milliarden kosten. Mehr Elterngeld, eine verbesserte Mütterrente, die Einführung der Grundrente – alles wunderbar. Wer könnte etwas dagegen haben? Nur fällt uns all das jetzt auf die Füße, tonnenschwer. Herr Habeck, auch wenn die Sozialpolitik das Werk der Großen Koalition war: Woher jetzt nehmen und nicht stehlen, um eine ausgeprägte Immobilienkrise zu vermeiden als Folge der an sich ja alternativlosen Green-deal-Politik?

40 Euro für Formular-Bürokratie

Man kommt nicht zur Ruhe. Der Schornsteinfeger hat mir vor ein paar Wochen mitgeteilt, ich müsse bis zum 15.09.2024 einen Effizienzcheck an meiner Gasheizung durchführen lassen. Auch so eine in der Gaskrise schnell umgesetzte Habecksche Idee, die irgendwann beim Verbraucher wie ein einziges großes Fragezeichen auf dem Küchentisch liegt. Kostenpunkt: 69 Euro. Heute Morgen war mein Installateur routinemäßig da. „Ich mache den Check für 40 Euro“, sagte er, „alles andere ist Nepp.“ Er holte ein Formular aus seiner Tasche.

Isolierung der Rohre? Ok. Effizienz der Pumpe? Nicht ok. Hydraulischer Abgleich? Steht aus. Datum drauf, Unterschrift, „bitteschön“. „Und jetzt?“, fragte ich. „Was muss ich jetzt machen?“ „Nichts“, lautete die ebenso prompte wie überraschende Antwort. „Kontrolliert das keiner?“ „Nein.“ „Auch nicht der Schonsteinfeger?“ „Auch nicht.“ „Also hätte ich mir die 40 Euro schenken können.“ „Wenn Sie so wollen: ja.“

Zum Glück sind 40 Euro auch nicht mehr das, was sie mal waren ...

Auf bald.

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