Essen. Man stelle sich vor, die Menschen könnten sich endlich impfen lassen, und nicht genug gingen hin. Ein Debattenbeitrag von Alexander Marinos.
Noch wirkt das Versprechen auf einen Impfstoff nur wie ein zarter Silberstreif am Horizont, da schieben sich auch schon wieder dunkle Wolken davor: Reflexartig beteuert ein Großteil der Bevölkerung, sich „auf keinen Fall“ impfen lassen zu wollen. Manche Menschen haben das Coronavirus nie ernst genommen – warum sollten sie jetzt damit anfangen? Andere fürchten das Virus sehr wohl; der Gedanke, sich eine völlig neuartige Substanz spritzen zu lassen, bereitet ihnen jedoch ebenso erhebliches Unbehagen. Und das ist ja auch durchaus nachvollziehbar.
Ist es also eine ganz private Entscheidung, sich impfen zu lassen? Ich meine: nein. Denn ob wir am Ende erfolgreich sein werden gegen Corona und die Krise mit all ihren existenziellen Wirkungen und Nebenwirkungen beenden können, hängt nicht nur vom Impfstoff selbst ab, sondern auch von einer ausreichenden Impfquote.
Soziales Gewissen der Menschen ist gefragt
Einmal mehr in dieser Pandemie ist unser soziales Gewissen gefragt. Jeder, der sich von vorneherein einer Impfung verweigert, schadet damit der Gesellschaft insgesamt. Sich nicht impfen zu lassen in der Hoffnung darauf, das könnten ja „die Anderen“ machen und das werde schon reichen, auch selbst geschützt zu werden, ist eine unter moralischen Gesichtspunkten sehr zweifelhafte, in jedem Falle unsolidarische und egoistische Haltung.
Es ist darum auch ein Fehler, wenn die politisch Verantwortlichen eine spätere Impfpflicht jetzt schon kategorisch ausschließen. Um die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern, ermöglicht das Infektionsschutzgesetz durchaus eine Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit. In jedem Fall sollten Personengruppen, die sich beruflich im Dauerkontakt mit Risikopatienten befinden, ihren Beruf nur dann weiter ausüben können, wenn sie sich impfen lassen. Alle anderen sollten einmal in sich gehen.
Das Mindeste, was man erwarten kann, ist, dass sich jeder gründlich informiert, sobald alle Daten und Fakten zum Impfstoff vorliegen. Das wird in den nächsten Tagen hoffentlich der Fall sein. Das beste Mittel, um die Impfquote zu steigern, ist der Aufbau von Vertrauen durch Transparenz. Staatliche Zwangsmaßnahmen könnten nur das letzte Mittel sein.
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