Herdecke. Es gibt kaum ein Thema, das noch von keiner Casting-Show aufgegriffen wurde. Zeus-Reporterin Paula Schmidt kommentiert diese Flut von Sendungen.
„Ich werde ausgestrahlt, also bin ich“ Diese Abwandlung eines alten Zitats stammt von dem deutschen Schriftsteller Günter Kunert und scheint auf immer mehr Menschen zuzutreffen. Denken steht da wohl eher im Hintergrund. Das perfekte Beispiel dafür sind gewisse Casting-Shows,in denen es angeblich um Talent in den verschiedensten Bereichen geht. Allerdings wird, abgesehen vom Können (oder Nichtkönnen) der Kandidaten im Modeln, Mutproben bewältigen und hauptsächlich Singen, nach vielen anderen Kriterien bewertet. Neben Aussehen und Stil scheinen Lebensverlauf und Privatleben der Teilnehmer und vor allem Potenzial zum Quotenerhalt der Sendung eine wichtige Rolle zu spielen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn die Hälfte deiner Familie gestorben ist, du keinen einzigen grammatikalisch richtigen Satz herausbringen kannst und zusätzlich, auf sehr differenzierte Weisen, unterhaltsam performen (oder ferpormen, wie es jetzt neuerdings bei manchen Leuten heißt) kannst, stehen deine Chancen gut zu den ersten Castings zugelassen zu werden. Sollte man doch zu talentiert wirken, wird von Seiten des Senders noch etwas nachgeholfen.
Sich für ein bisschen Geld vor Millionen zu blamieren
Zahlreiche Kandidaten sprechen nach ihrer Zeit bei der wohl bekanntesten und peinlichsten Casting-Show im deutschen Fernsehen von aufgesetzten Images; aber wessen größter Traum ist es denn nicht sich für ein bisschen Geld vor Millionen Menschen zu blamieren?
Bis auf die kleine Taschengeldaufbesserung gibt es allerdings noch weitere Gründe, welche Menschen dazu bewegen sich bei Casting-Shows wie „Das Supertalent“, „Germany’s next Top Model“ oder eben „Deutschland sucht den Superstar“ anzumelden. Neben schlichter Unwissenheit spielt auch der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung bei manchen Leuten eine Rolle, da sie beides in ihrem Leben nicht erfüllt sehen. Leider nimmt der Bekanntheitsgrad der Teilnehmer, besonders nach Scheitern der Imageaufrechterhaltung oder einfach nach einiger Zeit, ab. Der Traum eines Stardaseins platzt bei vielen Teilnehmern mit der Erkenntnis, dass sie allein auf ihren Unterhaltungswert reduziert werden oder auch nach der naja... eher destruktiven Kritik von manchen Juroren.
Respektvoller Umgang wichtig
Ansonsten ist es sehr schade, dass das Fernsehen nicht optimal genutzt wird, denn manche Casting-Shows sind wirklich daran interessiert, echtes Talent zu fördern. Durch respektvollen Umgang und vor allem konstruktive Kritik werden Erwachsene und auch Kinder zu weiteren Auftritten motiviert. Durch oben genannte Sendungen stempeln leider viele Menschen die Kategorie Casting-Show gleich als peinlich und aufgesetzt ab.
Trotzdem sollte man nicht den leicht masochistischen Wunsch verspüren sich vor Millionen Menschen zu blamieren, nur um dann mit einem Standardspruch der Jury abserviert zu werden und seinem Traum keinen Schritt näher zu kommen. Ich sehe persönlich auch keinen weiteren Grund, sich so einer Demütigung auszusetzen. Dann lohnt es sich wohl eher, auf die alte Version des Zitats zurückzugreifen und vor der Teilnahme in solchen Casting-Shows zuallererst darüber nachzudenken.
Paula Schmidt, 8a, Friedrich-Harkort-Schule, Herdecke
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