Olympia

Aufgehübschte Favelas und U-Bahn für „Touris“

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Der „Parque Aquático Maria Lenk“ im Barra Olympic Park ist eine der zahlreichen neu errichteten Sportstätten in Rio de Janeiro. Hier finden die Schwimm- und die Turmsprung-Wettkämpfe statt.

Der „Parque Aquático Maria Lenk“ im Barra Olympic Park ist eine der zahlreichen neu errichteten Sportstätten in Rio de Janeiro. Hier finden die Schwimm- und die Turmsprung-Wettkämpfe statt.

Foto: dpa

Rio de Janeiro.  In nicht einmal zwei Wochen ist es so weit: Am 5. August beginnen in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele 2016. Genau 16 Tage lang, bis zum 21. August, wird Rio von da an im Zen­trum der Aufmerksamkeit der ganzen Welt stehen. Doch wie gut ist die Stadt für Olympia gerüstet? Welche Risiken gibt es? Und was passiert nach Olympia?

Was sicher ist: Olympia in Rio wird ein Spektakel, und die Verantwortlichen werden alles dafür tun. Das sieht man auch an den Ausgaben, die für die Spiele kalkuliert worden sind: umgerechnet über 10 Milliarden Euro. Diese werden hauptsächlich in die Organisation sowie in Infrastruktur-Einrichtungen, Sportstätten und Umweltprojekte investiert. Einige der Kosten werden durch Sponsoren übernommen, doch vieles wird auch vom Land getragen. Viele Sportstätten werden für die Spiele extra neu errichtet oder saniert, damit sie durch modernste Ausstattung Athleten und Zuschauer zufriedenstellen. Doch was passiert mit den Sportstätten nach Olympia?

Viele Sportstätten werden nach Olympia kaum genutzt

Viele von ihnen werden vermutlich nur noch sehr selten oder gar nicht mehr genutzt, sie werden vielleicht sogar abgerissen oder bleiben einfach leer stehen. Von dem Geld, das in die Sportstätten investiert wurde, hat man also nur etwa zwei Wochen einen Nutzen. Also stellt sich die Frage: Warum findet Olympia in einem Land statt, das erst mal Milliarden Euro investieren muss, damit die Olympischen Spiele überhaupt stattfinden können?

Und es sind nicht nur die Sportstätten, in die viel Geld investiert wurde, sondern auch das Verkehrssystem Rios musste aufgrund der Olympischen Spiele ausgebaut werden. Denn die Besucher erwarten einen reibungslosen Transport und wollen keine überfüllten Verkehrsmittel, mit denen vor allem die Angehörigen der unteren Schichten in Rio schon seit vielen Jahren zu kämpfen haben. Für die Olympischen Spiele, von denen ein großer Teil im neuen Stadtteil „Barra da Tijuca“ stattfindet, erfolgt eine Anbindung dieses Stadtteils an das Bus- und U-Bahnsystem Rios, auch um diesen Teil der Stadt noch besser mit wichtigen Orten Rios zu verbinden. Das Problem: In diesem neuen Stadtviertel wohnen hauptsächlich Angehörige der Ober- und Mittelschicht Rios, das heißt, für viele Einwohner aus anderen Stadtteilen wird die Verkehrsanbindung nicht verbessert. Also sind diese Investitionen nicht nachhaltig geplant, da nicht die gesamte Stadt oder zumindest der größte Teil davon profitiert. Zudem gab es bei der Fertigstellung der Anbindung ans U-Bahn-Netz Verzögerungen, jetzt soll sie am 1. August fertig sein.

Hohe Kriminalitätsrate könnte weiter steigen

Ein weiteres Problem, das Rio angesichts der Olympischen Spiele bekämpfen muss, ist die hohe Kriminalität in der Stadt, in der große soziale Ungleichheiten herrschen. So gibt es in Rio viele Favelas, also Elendsviertel, in denen Menschen in sehr schlechten Verhältnissen oft ohne Strom und fließendes Wasser leben müssen. Vor allem in diesen Vierteln ist die Kriminalitätsrate sehr hoch. Die Polizei bekämpft sie mit brutaler Gewalt oder eben gar nicht mehr, weil sie entweder davor kapituliert hat oder korrupte Polizisten mit den Verbrechern unter einer Decke stecken.

Im Rahmen der Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele wurden die Verhältnisse in einigen Favelas verbessert, das heißt, diese stehen unter permanenter polizeilicher Überwachung, und es werden soziale Programme mit den Jugendlichen durchgeführt, um zu verhindern, dass sie kriminell werden. Dieses Projekt scheint auch erfolgreich zu sein, nur: Das geschieht längst nicht in allen Favelas. Der Großteil der Favelas weist nach wie vor eine hohe Kriminalitätsrate und schlechte Lebensbedingungen auf. Auffallend ist, dass hauptsächlich die Favelas aufgewertet wurden, die in der Nähe wichtiger olympischer Orte liegen. Also geht es Rio auch bei der Aufwertung der Favelas nur um das Image für Olympia. Nur dort, wo die Besucher hinkommen, wird etwas gemacht und verbessert. Das führt natürlich auch dazu, dass die Bewohner der Favelas, die nicht aufgewertet wurden, immer unzufriedener werden. Und diese Unzufriedenheit wird noch dadurch gesteigert, dass viele für den Bau von Sportstätten und des Verkehrssystems umgesiedelt und die Favelas abgerissen wurden.

Zudem befürchten aufgrund aktueller Ereignisse viele, dass die Olympischen Spiele das Ziel von Terroristen werden. Ob die Polizei in Rio für ausreichend Sicherheit sorgen kann, bleibt abzuwarten. Auch der Zika-Virus, der bei schwangeren Frauen zu Missbildungen der Babys führen kann, bereitet vielen Ärzten, Menschen und Athleten weltweit große Sorgen. Viele befürchten, dass sich der Virus durch Olympia auf der ganzen Welt ausbreiten könnte. Einige Athleten haben ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen aufgrund des Virus bereits abgesagt, viele weitere treffen besondere Vorsichtsmaßnahmen. Eine weitere Gefahr, Krankheiten zu bekommen, liegt in den Gewässern Rios, von denen viele durch jahrelange Zuleitung von Abwässern verseucht sind. In diesen Gewässern tummeln sich viele krankheitserregende Bakterien, die vor allem für die Besucher und die Athleten, die dort Wettkämpfe haben, wie zum Beispiel die Ruderer, gefährlich sind.

Neue Arbeitsplätze sind oftmals nur temporär

Gut für Rio sind die zahlreichen Besucher, die im Rahmen der Olympischen Spiele kommen und Geld ausgeben. Zudem kann durch positive Erlebnisse und die Fernsehbilder die Zahl der Touristen in den nächsten Jahren steigen. Es wurden auch viele Arbeitsplätze geschaffen, allerdings sind viele von ihnen nur temporär, zum Beispiel im Baugewerbe oder in der Gastronomie.

Sind die Olympischen Spiele nun gut oder schlecht für Rio? Insgesamt gesehen sind sie vielleicht kurzfristig gut für Rio, da die Stadt dadurch viel Aufmerksamkeit bekommt und durch die Besucher viel Geld einnimmt. Die Probleme Rios, wie verschmutzte Gewässer, soziale Ungleichheit und hohe Kriminalität, kann Olympia nicht bekämpfen. Wenn die Olympischen Spiele vorbei sind, werden diese Probleme vielleicht sogar noch größer sein, da viel Geld in Sportstätten, Infrastruktur und Aufwertung der nah an wichtigen olympischen Schauplätzen gelegenen Favelas investiert wurde. All diese Maßnahmen sind nur kurzfristig für Olympia gedacht. Langfristig fehlt Rio nach Olympia umso mehr das Geld, um die Verkehrsanbindung für alle zu verbessern, in das Bildungssystem zu investieren, gleiche Lebensbedingungen für alle zu schaffen und die Umweltprobleme weiter zu bekämpfen. Langfristig gesehen sind die Olympischen Spiele für Rio also negativ zu sehen.

Antje Krämer Stufe Q1 Gymnasium Letmathe

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