Oper

Nicht bloß etwas für ältere Menschen

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Ein Bild aus Verdis „La Traviata“ an der Rheinoper.

Ein Bild aus Verdis „La Traviata“ an der Rheinoper.

Foto: HANS JOERG MICHEL

Velbert.   Die Oper ist eine der spannendsten musikalischen Kunstformen. Doch gerade viele jüngere Menschen haben ein falsches Bild von ihr.

Die Vorhänge vor den Fenstern sind zugezogen, das Licht gedämmt. Violetta liegt todkrank in ihrem Bett. Vor kurzem war die junge Frau noch voller Lebensfreude und liebte es, große bunte Feste zu feiern. Jetzt sind ihre Augen geschlossen, regungslos liegt sie da. Vor Schmerzen kann Violetta sich kaum bewegen. Sie versucht ihre Augen zu öffnen, doch das wenige Licht, das durchs Fenster kommt, wird zur scharfen Klinge. Vor ihrem Bett kniet entsetzt Alfredo. Er ist gekommen, um mit Violetta nach Hause zu gehen. „Es ist zu spät“. Violettas Worte sind schwach, ihre Stimme zerbrechlich. Der Arzt war vor kurzem bei ihr, gibt ihr höchstens noch ein paar Stunden zu leben.

Halb tot, halb verrückt gesteht Violetta zum letzten Mal ihre Liebe zu Alfredo. Er stürzt sich auf Violetta, will sie festhalten, nicht gehen lassen. Plötzlich stößt sie ihn weg. Ihre Augen leuchten auf. Langsam steigt sie aus ihrem Bett und läuft durch den Raum. Aufgeregt sagt sie, ihre Krankheit wäre weg, sie wäre gesund. Voller neuer Energie streckt sie ihre Arme aus und schaut nach oben. Das Licht flackert, dann erstarrt ihr Blick. Ihr Körper fällt leblos zu Boden. Der Kopf schlägt auf die kalten Steintreppen auf und Blut fließt über den Boden. Der Vorhang fällt. Bravo! Es folgt ein prasselnder Applaus. Der Vorhang geht auf. Alle Darsteller stehen glücklich auf der Bühne und verbeugen sich. Es war eine gelungene Vorstellung. Hinter der Bühne gratulieren sich die Künstler gegenseitig zur guten Leistung. Nachdem alle Darsteller bejubelt wurden, strömen die Menschen aus dem Theater. Die Sänger gehen in ihre Garderobe, schminken sich ab und wechseln ihre Kostüme gegen Alltagskleidung. Dann machen sich mit lautem und munterem Geschwätz die Techniker an die Arbeit das Bühnenbild abzubauen ...

Als Praktikantin in verschiedenen Opernhäusern durfte ich hinter die Kulissen schauen und in die spannende Welt des Theaters eintauchen. Vor allem der Beruf als Opernsänger fasziniert mich besonders. Jeden Abend stehen die Sänger auf der Bühne, werden verrückt oder sterben und doch ist es nur eine Rolle. In einem Interview der Stuttgarter Nachrichten sagte die berühmte russische Sopranistin Olga Peretyatko „Ich sterbe ständig oder werde verrückt. Oder ich werde erst verrückt und sterbe dann.“ Aber wie gehen die Sänger damit um? Alle Sänger und Sängerinnen gaben mir auf diese Frage dieselbe Antwort. Man muss auf der Bühne überzeugend sein, sich in die Rolle hinein versetzen und echt wirken. Trotzdem muss einem bewusst bleiben „Das bin nicht ich, sondern nur eine Figur, die ich spiele“.

Opern sind etwas für alte Leute und vor allem endlos, laut und langweilig? Falsch! Leider musste ich feststellen, dass viele junge Menschen und vor allem Jugendliche ein verzehrtes und falsches Bild von der Oper haben. Das Interesse sinkt permanent, das Publikum scheint vom Aussterben bedroht. Dabei ist die Oper ganz anders, als viele denken. Bunte Kostüme, märchenhafte Kulissen und faszinierende Musik, die berührt. Wenn Violetta in der Oper „La Traviata“ geschwächt und voller Leiden ihre letzten Töne in der Arie „Prendi quest’è l’immagine“ singt, halten alle im Saal die Luft an. Niemand hustet, kramt in seiner Tasche oder schaut gelangweilt auf die Uhr. Mit ihrer klaren Sopran Stimme trägt sie die leisen Töne durch den Raum, bis der letzte dramatische Ton ihrer „Todes Arie“ verklingt. Es herrscht Todesstille. Einige Besucher haben Tränen in den Augen. Dann endlich kann das Publikum weiter atmen.

Dynamisch, abwechslungsreich und voller Bewegung. So beschreibt man die Oper wohl am besten. Aber auf keinen Fall langweilig und verstaubt! Es gibt viel Spannung, Tod und es fließt eine Menge Blut über die Bühne. Sänger werden erschossen, vergiftet, erstochen (Rigoletto), springen in den Tod (Tosca) oder erstechen sich selbst (Madame Butterfly). Aber keine Angst, die Oper ist auch nicht nur brutal und grausam, sondern es gibt auch viele lustige Opern, in der viel gelacht werden darf. Hauptsächlich basieren die Handlungen auf alltäglichen Situationen. Die Oper ist eine spannende Kunst, es entfernen sich aber leider mehr und mehr Menschen von ihr. Wer noch nie eine Oper besucht oder lauter Vorurteile vor Augen hat, sollte einfach mal eine Vorstellung besuchen und sich von der Vielfältigkeit dieser einmaligen Kunstform begeistern lassen.

Lioba Balke, Klasse 12A, Berufskolleg Bleibergquelle, Velbert

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