Oberhausen. MC-Reporter Jonathan Mieth hat jahrelang eine Waldorfschule besucht und erklärt, wie sie sich von einer Regelschule unterscheidet.
Heute wissen leider die wenigsten Leute, was genau unter einer Waldorfschule zu verstehen ist. Oft kommen so Vorurteile wie: „alles nur Baumkinder!“ oder „ach, da lernt man ja nur seinen Namen zu tanzen“. Inwiefern stimmen diese Vorwürfe denn eigentlich?
Zuerst einmal unterscheidet sich schon der Aufbau der Klassen von Waldorfschulen zu Regelschulen. Hier ist es nämlich so, dass man von der ersten bis zur letzten Klasse miteinander „aufwächst“, was ein gewisses Familiengefühl mit sich bringt. Ich selbst war von der ersten bis zur siebten Klasse auf einer Waldorfschule und bin dann auf eine Regelschule gewechselt. Somit habe ich einen ganz guten Einblick auf die wesentlichen Unterschiede.
Eurythmie fördert die Kreativität
Durch das späte Einführen von Noten in der neunten oder zehnten Klasse wird der Lerndruck etwas heruntergeschraubt. Man wird dennoch benotet: Ob in Form eines kurzen Textes oder einer Anzahl von erreichten Punkten.
Neben Englisch begleitet einen seit der ersten Klasse immer eine zweite Fremdsprache. An manchen Waldorfschulen ist es Französisch, an anderen Russisch. In diesen Sprachen zu lesen und zu schreiben, lernt man jedoch erst ab der dritten Klasse. Vorher werden Dinge durchgeführt wie kleine Theaterstücke, gemeinsames Singen oder das Sprechen von Fließtexten.
Abgesehen von den Fremdsprachen wird durch Fächer wie Musik, Kunst und Eurythmie die Kreativität sehr gefördert, was meiner Meinung nach einen positiven Einfluss auf den Umgang mit seinen Mitmenschen hat. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, wie enorm der Unterschied der musischen Kompetenz von Waldorfschülern zu Regelschülern ist. Auf der Waldorfschule spielten in meiner Klasse so gut wie alle ein Instrument, in der Realschule gibt es vielleicht zwei Schüler.
Die Monatsfeier
Bei der sogenannten „Monatsfeier“, welche jedoch nur alle zwei bis drei Monate stattfindet, können die Schüler von der ersten bis zur dreizehnten Klasse mit ihrer Klasse gemeinsam ein Stück, sei es Eurythmie oder ein Theaterstück, vorführen. Diese Stücke werden in der Zeit davor mit dem jeweiligen Lehrer eingeprobt.
Eurythmie, „das Fach in dem man seinen Namen tanzt“, interpretieren viele Leute als kindlichen Tanz. Der eigentliche Sinn ist jedoch, seine räumliche Umgebung besser wahrzunehmen. Tatsächlich gibt es auch eine Gebärdensprache, mit welcher man das Alphabet ausdrücken kann, was unter anderem auch bedeutet, dass man seinen „Namen tanzen“ kann, was aber nicht das Ziel der Eurythmie ist. Dennoch konzentrieren sich Leute aufgrund ihres Unwissens gerne auf diesen Fakt.
Beide Schulen haben Vor- und Nachteile
Wie auf Regelschulen kann man dort sein Vollabitur machen, welches man nach der dreizehnten Klasse erwirbt. Dazu kommt noch der künstlerische Abschluss nach der zwölften Klasse, welcher im beruflichen Bereich hoch angesehen ist.
Letztendlich kann ich im direkten Vergleich die Waldorfschule nicht unter oder über eine Regelschule stellen, da beide ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen. Auf einer Waldorfschule lernt man letztendlich nicht „weniger“ als auf einer Regelschule. Dass ich die Waldorfschule verlassen habe, lag an persönlichen Gründen. Dennoch kann ich das Waldorfkonzept weiterhin nur positiv unterstreichen.
MC-Reporter Jonathan Mieth, Klasse BM62, Käthe-Kollwitz-Berufskolleg, Oberhausen
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