Interview

Quichotte: „Der Respekt geht leider viel zu oft verloren“

| Lesedauer: 7 Minuten
Quichotte hat im Herbst einen proppevollen Terminkalender und kommt auch mehrfach in die Region.

Quichotte hat im Herbst einen proppevollen Terminkalender und kommt auch mehrfach in die Region.

Foto: Marvin Ruppert

Essen.  Musik, Poesie, Comedy: Der Wortakrobat Quichotte ist auf der Bühne ein echter Allrounder. Über die Gesellschaft und Privates spricht er bei uns.

Kaum jemand jongliert so mit Worten und Reimen wie Jonas Klee. Unter dem Pseudonym Quichotte hat sich der 37-Jährige als Slam-Poet, Rapper, Autor und Comedian einen Namen gemacht. Jetzt geht er mit seinem neuen Programm „Nicht weniger als ein Spektakel“ auf Tour. Warum sein Gehirn ihn manchmal nervt und wie der Lockdown bei den Schwiegereltern war, verriet er Patrick Schuh.

Nach anderthalb Jahren können sie endlich wieder auf Tour gehen: Was ist das für ein Gefühl?

Quichotte: Ich brenne darauf, endlich wieder auf der Bühne zu stehen. Gleichzeitig hoffe ich natürlich, dass viele Leute zu den Shows kommen und die Verunsicherung nicht allzu groß ist.

Apropos viele Leute: In Ihrer Heimatstadt Köln spielen Sie im Comedia-Theater. Wäre Ihnen nicht die Lanxess Arena lieber gewesen?

Ich mag diese kleineren Läden wahnsinnig gern. Wenn ich für den Rest meines Lebens 300 Leute sicher auf meiner Tour haben könnte, würde ich das ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben. Die Atmosphäre ist sehr intim, aber man hat eine große Menschenmenge vor sich. Für mich muss es nicht die Lanxess Arena sein – ein, zwei Mal würde ich das trotzdem gerne mal machen.

Wie haben Sie die lange Zeit ohne Auftritte genutzt?

Mit vielem, wofür ich sonst keine Zeit habe: Ich habe viel Arbeit in mein neues Programm gesteckt, ein Album aufgenommen und ein Buch geschrieben. Parallel habe ich an meinem Haus mitgebaut und mich viel um die Familie gekümmert. Das hat mich ganz gut davon abgelenkt, wie sehr mir meine Auftritte gefehlt haben.

„In der Kölner Wohnung wäre ich erdrückt worden“

Den ersten Lockdown verbrachten Sie mit ihrer Frau und ihren Kindern bei den Schwiegereltern. Ist Ihnen da nicht auch mal die Decke auf den Kopf gefallen?

Das bleibt nicht aus, wenn man zwei, drei Monate aufeinanderhängt und plötzlich keine anderen sozialen Kontakte mehr hat. Aber zum Glück sind das total nette Menschen und ich bin dankbar, dass wir bei ihnen auf dem Land sein durften. Wenn ich da den Eindruck hatte, dass mir die Decke auf den Kopf fällt, wäre ich in unserer Dachgeschosswohnung in Köln komplett erdrückt worden.

Können Sie bei der Vielzahl an Genres überhaupt mal abschalten?

Das schützt mich eher davor, mich zu langweilen. Stress habe ich nur durch zu viele Auftritte. Gerade am Anfang habe ich alles angenommen aus Angst, nicht mehr eingeladen zu werden. Da stand ich am Rande der Überlastung. Mittlerweile habe ich gelernt, mir auch Zeit für mich zu nehmen.

Was machen Sie in dieser Zeit?

Sport, also Fußball und Tennis, ist ein wichtiger Ausgleich für mich. Die freie Zeit nutze ich auch sehr gerne mit meiner Familie. Das ist mit zwei kleinen Kindern aber eher „Abschalten light“. (lacht)

Sie sind in einem Dorf im Oberbergischen Land aufgewachsen, dann in die Großstadt gezogen. Was hat sich seitdem für Sie verändert?

In der Stadt kommt man schnell überall hin. Aus meinem Dorf im Oberbergischen Land für einen spontanen Auftritt einfach mal so nach Hamburg zu fahren, wäre ohne Führerschein ein Ding der Unmöglichkeit.

Einen anderen Aspekt des Stadtlebens beschreiben Sie in dem neuen Song „Unkraut“: die Ausgrenzung in Ihrem Viertel. Ist das eine Thematik, die Sie sehr beschäftigt?

Ich habe mal Workshops für kreatives Schreiben und Rap gegeben. Da hat ein Junge türkischer Herkunft gesagt, er fühlt sich hier manchmal wie Unkraut. Das hat mich schon sehr getroffen. Deswegen ist der Song für diesen kleinen Kerl, der sich leider als Distel fühlt. Und das, obwohl er auf dem Nährboden in diesem Land doch so gut wachsen könnte.

Was muss sich ändern?

Die Diskussionskultur. In diesen Zeiten haben viele Menschen festgefahrene Positionen, halten keine anderen Meinungen aus und geben keine Fehler zu. Auch der Respekt geht leider viel zu oft verloren.

Sie haben sich nach der Romanfigur Don Quichotte benannt. Was haben Sie mit ihm gemeinsam?

Mir hat immer der Kampf gegen Windmühlen imponiert. Don Quichotte versucht, Missstände zu beseitigen, macht am Ende aber alles noch schlimmer. Als junger Rapper fand ich es witzig, mir den Namen eines Versagers zu geben. Dass war mal was Neues in Sachen Rap, sich einen Künstlernamen zu geben, der nicht so vor Potenz strotzt. Mittlerweile verstehe ich mich als Kämpfer gegen die Windmühlen der seichten Unterhaltung.

„Jetzt halt doch mal die Fresse, Gehirn!“

Sie spielen beruflich viel mit Worten und Reimen. Verfolgt Sie das auch im Alltag?

Ich sehe in Gegenständen immer das passende Wort. Wenn das ein vielsilbiges Wort ist, suche ich unbewusst Doppel-, Dreifach- und Vierfachreime. Aber das belustigt mich meistens. In einem Prozent der Fälle denke ich aber: „Jetzt halt doch mal die Fresse, Gehirn!“

Gab es mal ein Wort, auf das Sie keinen Reim finden konnten?

Da fällt mir auf Anhieb nichts ein. Aber bei Begriffen aus dem Französischen wird es oft schwierig. Zum Beispiel bei der Farbe „orange“. Das habe ich in einem Freestyle mal mit „Julian Assange“ umschifft.

Haben Sie denn auf die Schnelle einen Reim auf „Spektakel“?

Ich habe mindestens sechs Makel und trotzdem gibt’s ein Spektakel.

Auch Ihre neue Show soll dem Titel nach zum Spektakel werden. Wie haben Sie das vor?

Durch die Vielzahl der Genres. Es ist ein Konzert und gleichzeitig Stand-up-Comedy. Es wird auch eine literarische Veranstaltung, wo ich kleinere Gedichte vorlese. Und: Es fliegt sogar ein Flugzeug durch den Raum – mehr will ich aber noch nicht verraten!

Brauchen Sie nach der Tour eine Pause oder haben Sie schon neue Projekte in der Pipeline?

Im Oktober und November habe ich 32 Termine. Danach brauche ich definitiv eine Pause. Aber nächstes Jahr geht die Tour weiter. Ich will auch ein neues YouTube-Format starten. Und den Infotainment-Podcast „Die Weltmeisterschaft des Schwachsinns“, den ich gemeinsam mit einem guten Kollegen aufnehme, forcieren. Langweilig wird mir also nicht werden. (lacht)

>>> INFO: Quichotte auf Tour

Termine: 16.10. Hagen (Pelmke), 20.10. Essen (Zeche Carl), 27.10. Wipperfürth (Alte Drahtz.) 30.10. Wuppertal (Utopiastadt). 6.11. Köln (Comedia), 7.11. Oberhausen (Ebertbad), 9.11. Düsseldorf (Zakk), 14.1. Bonn (Tempodrom).

Tickets ab ca. 15 € und Infos über www.quichotte.net.

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