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DSDS: Warum Auftritt von psychisch Krankem kein Skandal ist

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Diego aus Düsseldorf schaffte es in den Recall.

Diego aus Düsseldorf schaffte es in den Recall.

Foto: MG RTL D / Stefan Gregorowius

Berlin  Im Januar trat Diego bei DSDS an. Der Auftritt des psychisch Kranken sorgte für Wirbel. Ein Skandal ist seine Teilnahme dennoch nicht.

Der Auftritt von Kandidat Diego (21) bei

(DSDS) im Januar dieses Jahres sorgte für Aufsehen. Es war allerdings nicht die Musik allein, die den jungen Mann aus Düsseldorf in die Schlagzeilen brachte, sondern auch seine kuriosen Aussagen. Er behauptete, der Sohn des verstorbenen Rappers Tupac Shakur zu sein.

Einen Tag nach dem Auftritt wurde bekannt, dass Diego an einer drogenindizierten Psychose leidet. Und damit entbrannte eine große Debatte. Schnell kam die Frage auf: Darf jemand wie Diego überhaupt an einer Sendung wie DSDS teilnehmen?

Die Antwort sollte laut der Graf Recke Stiftung, in deren sozialpsychiatrischer Einrichtung der Kandidat seit einigen Jahren lebt, ganz klar „Ja“ lauten: Auch Menschen mit einer psychischen Erkrankung sollte eine Teilnahme an einer Sendung wie DSDS ermöglicht werden.

Und genau deshalb wird der 21-Jährige auch an diesem Samstag wieder in der RTL-Show zu sehen sein. Er hatte sich mit seinem damaligen Auftritt für den Recall in Südafrika qualifiziert.

Diego und andere Erkrankte brauchen kein Mitleid

Pfarrer Markus Eisele, Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung, ist sich sicher: „Menschen mit einer psychischen Erkrankung brauchen kein Mitleid, sondern Normalität.“ Denn immerhin heißt es schon seit Jahren, Menschen mit Behinderungen sollen so viel Normalität und Teilhabe wie möglich erleben.

„Begriffe wie Gleichstellung und Teilhabe werden in diversen Sonntagsreden völlig selbstverständlich gefordert“, sagt auch Dr. Roelf Bleeker, Referatsleiter der Einrichtung, unserer Redaktion, doch der Umgang mit dem Kandidaten Diego zeige, dass diese Selbstverständlichkeit schnell an Grenzen stoße.

„Aber genau hier beweist sich, ob wir Inklusion wirklich leben wollen und können: Einem Menschen mit einer psychischen Erkrankung die Teilnahme an einer solchen Show zu ermöglichen, wenn er es sich so sehr wünscht, mit allen guten und schlechten Erfahrungen, die er dort macht.“ Es sei nicht die Aufgabe, eine Teilnahme zu verhindern, sondern den Menschen dabei zu begleiten, stellt Bleeker klar.

Und genau das habe die Stiftung getan. Nachdem sich Diego selbstständig und erfolgreich bei dem Format beworben hatte, stimmte er alle vertraglichen Fragen mit seinem gesetzlichen Betreuer ab. Anschließend habe sich die Einrichtung entschlossen, „Diego bei der Verwirklichung seines Wunsches zu unterstützen“. Auch auf der Reise nach Südafrika wurde er von einer Fachkraft begleitet.

RTL hatte sich an Absprachen gehalten

Vor der ersten Ausstrahlung habe es außerdem Gespräche mit einer zuständigen RTL-Redakteurin gegeben. Man habe sich damals darauf verständigt, Diegos Krankheitsbild aus der Sendung und den begleitenden Formaten herauszuhalten. Der Sender habe sich an diese Absprache gehalten. Erst durch die anschließende Berichterstattung und die darin stattfindende Skandalisierung sei die Erkrankung des Kandidaten in den Vordergrund gerückt, sagt Bleeker.

Durch die Berichte in den Medien seien Vorurteile geschürt worden, sagt auch Pfarrer Eisele. Nicht Diegos Teilnahme an der Show sei ein Problem, sondern, dass „unsere gesellschaftliche Realität immer noch zulässt, dass große Zeitungen und viele bei Facebook oder YouTube daraus einen Skandal machen“.

Das Medienecho traf den Kandidaten allerdings nicht unvorbereitet. „Wer sich auf so ein TV-Format einlässt, muss mit medialer Kritik rechnen, darf aber weder wegen seiner Hautfarbe oder Religion noch seiner Erkrankung diskriminiert und stigmatisiert werden“, sagt Bleeker unserer Redaktion. Die Mitarbeiter der Einrichtung hätten natürlich im Vorfeld mit Diego „das Format und die Begleiterscheinungen thematisiert“.

Diego wurde von den Mitarbeitern der Graf Recke Stiftung bei seinem Wunsch, an der Casting-Show teilzunehmen, vollumfassend unterstützt. Denn letztendlich geht es eben nicht darum, was vielleicht einige in der Gesellschaft für angemessen halten. Sondern einzig und allein darum, die Wünsche und Rechte von Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen.

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