Stuttgart/Berlin. Nigeria hofft, dass die Einigung mit Deutschland über die Rückgabe der Benin-Bronzen Vorbild-Charakter hat. Aber: „Wir wollen hier kein Vakuum.“
Nach der Einigung zwischen Deutschland und Nigeria über den Umgang mit den als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen rechnet das afrikanische Land mit weiteren Rückgaben aus den Beständen ausländischer Museen und Universitäten. „Die deutsche Entscheidung hat die Position anderer Museen, Universitäten und Gesellschaften stark beeinflusst“, sagte der Generaldirektor der Nationalen Museums- und Denkmalbehörde Nigerias, Abba Tijani, am Mittwoch in Stuttgart. Es gebe teils weit vorangeschrittene Gespräche in Großbritannien sowie in den USA über die dort geführten, als koloniales Raubgut geltenden Kunstobjekte. Er gehe fest von weiteren Rückgaben aus und nannte unter anderem das British Museum in London und das Metropolitan Museum of Art in New York.
Etwa 1100 der kunstvollen Objekte und Bronzen aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, sind in rund 20 deutschen Museen zu finden, darunter 78 allein im Stuttgarter Linden-Museum. Über die umfangreichsten Sammlungen verfügen daneben das Museum am Rothenbaum (Hamburg), das Rautenstrauch-Joest-Museum (Köln), das Völkerkundemuseum Dresden/Leipzig sowie das Ethnologische Museum Berlin.
Britische Plünderungen des Jahres 1897 standen am Anfang
Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897 im einstigen Königreich Benin im heutigen Nigeria. Die Bronzen sind 500 Jahre alte Skulpturen. Die Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren aus dem Königspalast befinden sich heute zum Großteil im British Museum. Über die zweitgrößte Benin-Sammlung verfügt das Ethnologische Museum im Berliner Humboldt Forum, gefolgt von Museen in Leipzig und Dresden. Bei den Bronzen steht, anders als bei anderen Kunstschätzen aus der Kolonialzeit, fest, dass sie gewaltsam geraubt wurden, durch britische Kolonialtruppen.
Eine gemeinsame Absichtserklärung zwischen beiden Ländern soll am Freitag unterzeichnet werden und den Weg für die Eigentumsübertragungen der wertvollen Kunstobjekte freimachen. Zwei Bronzen sollen direkt im Anschluss übergeben werden. Die Stücke stammen sollen aus Berliner Beständen stammen.
Die weiteren beteiligten Häuser haben bereits Schritte für eine Rückgabe der Kunstobjekte eingeleitet, wie Sprecher in Dresden, Hamburg und Köln sagten. Das Stuttgarter Linden-Museum werde konkrete Objekte für eine Rückgabe identifizieren und in Gespräche mit der nigerianischen Seite eintreten, kündigte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) an und fügte hinzu: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nun rasch zu umfassenden Rückgaben kommen.“
Später soll über Dauerleihgaben entschieden werden
Erst später soll entschieden werden, welche der Kunstschätze als Dauerleihgaben in deutschen Museen ausgestellt werden sollen. Bei den Ausleihen gehe es um einen noch zu bestimmenden Prozentsatz, der auf mehrere Museen verteilt werden könne, sagte Tijani. „Wir wollen hier kein Vakuum erzeugen. Deshalb werden wir einige Objekte auch zurücklassen, damit sie ausgestellt und an ihnen geforscht werden kann.“ Wichtig sei es Nigeria außerdem, über die Rückgaben hinaus zusammenzuarbeiten, um die Forschung voranzubringen und Ausstellungen zu gestalten.
Tijani lobte den deutschen Umgang mit dem Thema. „Nigeria ist durch Deutschland nicht kolonialisiert worden. Und dennoch ist Deutschland das erste Land, das sich für diese Restitution entschieden hat“, sagte er. Er sicherte zu, dass sein Land auf die Rückgabe „gut vorbereitet“ sei.
Zustimmung aus dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum
Auch die Direktorin des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, Nanette Snoep, hofft, dass die Einigung nur ein Anschub gewesen ist. „Ich hoffe sehr, dass auf diesen ersten Schritt tiefgreifende Veränderungen in den Museen erfolgen werden, die von der Politik begleitet und unterstützt werden“, sagte sie und mahnte: „Wir sollten nie vergessen, wie tief solche Museen mit der Kolonialgeschichte verwoben sind und dass die dabei verursachten kolonialen Traumata immer noch in den nachfolgenden Generationen fortwirken“, sagte Snoep.
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